Fusionen und Übernahmen, im Fachjargon besser als M&A-Accounting bekannt, wachsen in Deutschland seit Jahren an. Vor allem die Volkrepublik China als aufstrebendes Wirtschaftsimperium hegt dabei große Ambitionen. Es sind insbesondere die Qualifikationen von Arbeitskräften, die gute Infrastruktur sowie stabile politische und rechtliche Rahmenbedingungen, die Deutschland zu einem lukrativen Ziel für chinesische Investoren machen. Meist stehen dabei Klein- und mittelständische Unternehmen (KMUs) mit limitierten Wachstumsgrenzen im Fokus. Einer Untersuchung des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) zufolge hat es zwischen 2011 und 2020 insgesamt 243 Übernahmen deutscher Unternehmen gegeben, auch wenn diese Quote zuletzt stark rückläufig war. Ob sich diese Fusionen oder Übernahmen durch chinesische Investoren letzten Endes auch profitabel auswirken und sich in der finanziellen Lage der betroffenen Unternehmen widerspiegeln – darüber herrschte bisweilen noch eine Forschungslücke ohne schlüssige empirische Beweise. Unsere MBA-Studentin Thu Thi Minh Nguyen untersuchte im Rahmen ihrer Masterarbeit an der OHM Professional School die Chancen und Risiken chinesischer Investments in deutsche Unternehmen und kam zu einem überraschenden Ergebnis.
Dabei analysierte Thu Thi Minh Nguyen die finanzielle Situation von 19 betroffenen Unternehmen verschiedener Branchen jeweils zwei Jahre vor und nach der Übernahme durch ein chinesisches Investment. Im Fokus standen dabei die Buchhaltungsdaten, welche Aufschluss über die eigentliche Unternehmensleistung anhand von Rentabilität, Kosten für Forschung und Entwicklung, Liquidität oder dem Verschuldungsgrad gaben. Ihr Ergebnis zeigt, dass sich die finanzielle Leistungsfähigkeit während des Untersuchungszeitraumes tatsächlich weder signifikant verbessert noch verschlechtert hat. Zwar weichen die Einzelleistungen nach Fusionen und Übernahmen aufgrund verschiedener unternehmensspezifischer Ziele voneinander ab, das Resultat widerspricht damit jedoch den in der Öffentlichkeit vorherrschenden und häufig verbreiteten Befürchtungen über eine Verschlechterung der finanziellen Lage nach chinesischer Beteiligung. Auch die bisher kleine Zahl an Untersuchungen über chinesische M&As in Deutschland, die auf subjektivem Empfinden beruhten, stützten bislang die öffentliche Sichtweise. Thu Thi Minh Nguyens Untersuchung bietet fortan eine Orientierungshilfe mit Anhaltspunkten für Unternehmen, die einer drohenden Übernahme oder Fusion gegenüberstehen. Mit dem Wissen über die eigene Stellung des Unternehmens, entsprechenden Vergleichsparametern und aktuellen Trends lassen sich mögliche Abwehrstrategien vorbereiten oder eine geeignete Verhandlungsbasis für vorteilhafte Transaktionen erarbeiten.