KI in der strategischen Einkaufssteuerung – Neugierig sein!

Künstliche Intelligenz kann Ihren Einkauf revolutionieren – sie automatisiert Routineaufgaben, homogenisiert Warengruppen und liefert präzisere Prognosen. Doch nur qualifizierte Fachkräfte deuten die Ergebnisse richtig und treffen fundierte Entscheidungen. Mehr dazu im Gespräch mit Werner Güntner, Geschäftsführer der SoftconCIS GmbH und Dozent im Zertifikatslehrgang Einkaufscontrolling.

Künstliche Intelligenz (KI) zur Unterstützung der strategischen Einkaufssteuerung hat großes Potenzial, ist aber auch kein Selbstläufer. Nur qualifizierte Mitarbeitende können die Ergebnisse der KI richtig interpretieren, Zusammenhänge erkennen und auf dieser Basis fundierte Entscheidungen treffen. Die KI kann dabei helfen, Routineaufgaben zu automatisieren, Warengruppen zu homogenisieren und präzisere Vorhersagen für Einkaufsplanung und Lieferantenqualität zu treffen. Das Wichtigste ist: Seid neugierig! Nur durch praktische Erprobung und ein kritisches Hinterfragen der Ergebnisse lässt sich der wahre Wert von KI im Einkauf entfalten. Ein Gespräch mit Werner Güntner, Geschäftsführer der SoftconCIS GmbH und Dozent im Zertifikatslehrgang Einkaufscontrolling an der OHM Professional School

Was ist unter KI im Kontext des Einkaufscontrollings zu verstehen?

Mit Hilfe der KI können im Einkaufscontrolling aus großen Datensätzen Muster identifiziert werden. Die KI hilft dabei, Zusammenhänge zu entdecken und Entscheidungen datenbasiert zu treffen, anstatt sich nur auf Bauchgefühl zu verlassen. Die Entscheidungen werden uns aber nicht abgenommen. Ich würde statt KI eher den Begriff „Lernen aus Daten“ sehen, welches ein faktenbasiertes Handeln ermöglicht.

Welche KI-Werkzeuge werden im Einkaufscontrolling bereits eingesetzt?

Es gibt zwei Hauptbereiche: Erstens, die Interaktion zwischen Menschen und Maschine, wie durch Chatbots. Bei SoftconCIS haben wir in unserer Software inzwischen eine Art Chatbot eingebaut, bei dem ich eine Frage im Normaltext formulieren kann. Das Zerlegen dieser Frage in Schlagworte, das sogenannte Tokenisieren, ermöglicht uns dann aus dem Fundus unserer Favoriten wie z.B. den Dashboards oder Hilfetexten eine Antwort für den User zu formulieren. Der zweite Bereich ist der Einsatz von Datenanalyse-Tools, um große Datenmengen aus Bestellungen, Rechnungen und Lieferantendaten zu nutzen. Ein Beispiel ist der "Similarity Index", der hilft, preislich unterschiedliche, aber technisch ähnliche Teile zu identifizieren. Die Ergebnisse, die wir hier bekommen sind meist zu 70 bis 80 Prozent gut nutzbar, die restlichen 20 bis 30 Prozent muss der Mensch bewerten. Das erfordert sowohl Programmierkenntnisse als auch Einkaufserfahrung, um die Ergebnisse gewichten zu können und sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Das ist alles kein Selbstläufer.

Welche Kompetenzen benötigen Einkäufer, um KI-Technologien effektiv zu nutzen?

Einkäuferinnen und Einkäufer müssen eine Affinität für Zahlen und Daten haben und bereit sein, neue Technologien zu akzeptieren. Das Verständnis und die Auseinandersetzung mit den Zahlen sind entscheidend für die erfolgreiche Nutzung von KI. Ein einfaches Beispiel ist die Regressionsanalyse, bei der man Abhängigkeiten zwischen Variablen erkennt, aber auch lernen muss, zwischen statistischer Korrelation und tatsächlicher Kausalität zu unterscheiden. Die Interpretation von KI-Ergebnissen erfordert ein gutes Verständnis von Statistik und Datenanalyse, vor allem im Bereich Predictive Analytics. Das muss man verstehen, um KI sinnvoll zu nutzen.

Eine akademische Ausbildung, bei der man lernt, Daten zu interpretieren und zu hinterfragen kann nur von Vorteil sein. Aber das Allerwichtigste ist, neugierig zu bleiben. Und an dieser Stelle ist natürlich auch Weiterbildung enorm wichtig.

Gibt es noch weitere Kompetenzen, die Einkaufscontroller im Umgang mit KI benötigen?

Man sollte die Ergebnisse auch immer kritisch hinterfragen und bewerten. Der Mensch muss die Kontrolle behalten und kann nicht einfach alles der Maschine überlassen. Viele denken, KI wird künftig Entscheidungen treffen, aber in Wirklichkeit wird der kritische Verstand mehr denn je gebraucht.

Für welche Bereiche des Einkaufs könnte KI der größte Game Changer sein?

KI ist besonders nützlich für den Vergleich von Warengruppen und Preisindizes. Sie ermöglicht es, Warengruppen mit Destatis-Produktgruppen zu verbinden und Marktvergleiche effizient zu automatisieren. Das führt oft zu überraschenden Ergebnissen, die das Bauchgefühl der Einkäufer infrage stellen. Die Hinweise, die wir aus den Daten bekommen, können für interne Diskussionen und die Kommunikation mit Lieferanten hilfreich sein. Der offensichtliche Nutzen liegt in der Automatisierung und der Möglichkeit, auf Knopfdruck präzise Ergebnisse zu erhalten und den Aufwand damit erheblich zu reduzieren. Die praktischen Anwendungen zeigen viel Potenzial, aber die Qualität muss sich jetzt noch zeigen.

KI entwickelt sich schnell. Wie können Unternehmen und Mitarbeiter Schritt halten?

Es gibt viele hilfreiche Podcasts, zum Beispiel vom Bayerischen Rundfunk oder Deutschlandfunk, die die unterschiedlichen Anwendungsbereiche von KI behandeln. Zwei Schlüsselbegriffe, die man lernen sollte, sind „Tokenizing“ und „Prompting“. Beim Prompting geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen, um gute Antworten von der KI zu erhalten. Die Eingabe wird in kleine Einheiten, sogenannte Tokens, zerlegt und mit einem Lösungsraum abgeglichen. Unsere Dashboards nutzen diese Technik, um mehrere Lösungsmöglichkeiten anzuzeigen, die der Nutzer weiter untersuchen kann.

Was geben Sie Ihren Studierenden in Ihrem Kurs „KI im Einkaufscontrolling“ mit auf den Weg?

Zunächst: Ausprobieren! Sich einfach hinsetzen und experimentieren. Man sollte Fragen wie „Wer sind die besten Lieferanten für X?“ oder „Wie setzt sich eine Warengruppe zusammen?“ stellen und staunen, welche Antworten man bekommt. In meinem Kurs ermutige ich die Studierenden, den Chatbot zu testen, auch mit wilden Fragen. Viele haben anfangs Vorbehalte, aber es ist wichtig, diese Scheu zu verlieren, weil man an KI nicht vorbeikommen wird.

Bietet KI neue Potenziale für die Weiterbildung?

Ja, definitiv. KI bietet Chancen für die Weiterbildung. Gerade dort ist es wichtig, dass Teilnehmende lernen, KI-Tools souverän zu nutzen: Sie sollten den Dialog mit der KI aktiv gestalten, Inhalte prüfen und sich nicht blind auf die Antworten verlassen. So kann KI zu einem wertvollen Lernbegleiter werden, der eigenständiges Denken und die Kompetenz zur kritischen Reflexion fördert.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft des Einkaufscontrollings aus? Welche Entwicklungen erwarten Sie?

Es herrscht eine Mischung aus Unsicherheit, aber auch Hoffnung, dass KI Routinearbeiten erleichtert. Wir arbeiten daran, mit KI objektive Maßstäbe für Preise zu finden und Warengruppen zu homogenisieren. Ein Beispiel: Bei großen Firmen haben wir versucht, 800 Warengruppen auf 100 zu reduzieren. Das vereinfacht vieles, auch wenn nicht alle Warengruppen sinnvoll zusammengefasst werden können. Langfristig könnte KI auch Warengruppen automatisch zuordnen und Muster erkennen, etwa bei Firmenübernahmen oder der Zusammenführung unterschiedlicher SAP-Systeme.

Wird KI irgendwann standardmäßig eingesetzt, oder gibt es Bereiche, in denen sie nicht eingesetzt wird?

KI wird in unheimlich vielen Bereichen getestet und es lässt sich heute noch nicht genau sagen, wo sie sich bewähren wird. Aber sie wird immer nur Vorschläge liefern und keine Entscheidungen treffen.